Schritt für Schritt - Grußwort aus dem Gemeindebrief Herbst 2012

Schritt für Schritt

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist Mittag, die Sonne brennt, ein langer Weg liegt schon hinter einem. Und dann ragt sie mächtig auf (siehe Titelfoto): die Mittagsscharte von Süden her, im Geisler-Puez-Gebiet der Dolomiten. 600 Meter Höhe sind zu überwinden, um wieder nach Hause zu kommen und damit ans Ziel und zur Ruhe.

Diesen Weg bin ich schon oft gegangen mit den Konfirmanden. Und jedes Mal kostet es erneut viel Schweiß und große innere Überwindung, diese letzte Hürde vor dem Heimattal anzugehen. Für mich ist er darum auch ein Besinnungsweg ganz eigener Art, der vom Leben spricht, ja, der den eigenen Lebensweg vor- und nachzeichnet und mich erfahren lässt, was denn Körper, Geist und Seele Kraft schenken kann. Um den steilen Weg zu schaffen, denke ich nicht über den nächsten Schritt nach, sondern setze jeweils den jetzigen. Ich lasse den Körper schuften und helfe ihm, indem mein Geist ganz woanders weilt: bei schönen Erinnerungen vielleicht und wunderbaren Erlebnissen.

Dieser steile Weg die Mittagsscharte hinauf ist für mich ebenso ein Weg des Glaubens, ein Spiegelbild für die Herausforderung, im eigenen Leben ganz auf Gott zu setzen und mit ihm zu gehen. Auch da tut es gut, nicht wie gebannt auf das zu schauen, was auf mich zukommt, sondern zum einen jeden neuen Tag (= Lebensschritt) als solchen anzunehmen und zu durchschreiten und zum Zweiten von den guten Erfahrungen mit Gott, von dem, was uns ihn loben und ihm danken lässt, zu leben.  Das ist es, was unser Gottvertrauen stärkt und uns die Kraft gibt, an ihn zu glauben auch dann, wenn es womöglich sehr, sehr schwer fällt, wenn uns das Leben alles abfordert, ja wenn es scheinbar zu schwer erscheint.

Manche von Ihnen mussten im Sommer gerade diese Erfahrung machen: das kann ich eigentlich nicht schultern, den Weg kann ich eigentlich nicht schaffen. Tod brach ein in Familie und Ehe, Abgründe taten sich auf.

Das mag sich so anfühlen wie auf dem Titelfoto: wie komme ich da bloß drüber hinweg? Wenn es überhaupt gehen kann, dann nur Schritt für Schritt und mit der aktiven Erinnerung an Erfahrungen, dass Gott für dich und mich doch immer da war und ist und sein wird. Genau dies feiern wir im Grunde an Erntedank: Gott sei Dank, trotz aller Mühe! Dieses Vertrauen wünscht Ihnen

Ihr Pfarrer