Brauchen Kinder Gott?

Je einfacher die Antwort, desto besser kann das Kind sie in sein Weltbild einfügen. "Was ist eine Kirche?" ­ Da spricht man mit Gott. ­ "Wer ist Gott?" ­ Gott hat die Welt, dich und mich gemacht. ­ "Warum ist Opa tot?" ­ Opa ist im Himmel bei Gott.

Vielen Erwachsenen bereiten solche Antworten Unbehagen. Manche kommen sich wie Betrüger vor, wenn sie so über Gott reden. Doch sie fänden es zu hart, dem Kind zu sagen, die Menschen hätten sich Gott nur ausgedacht, die Welt sei zufällig entstanden und von Opa bliebe nur der verwesende Körper im Grab. Schließlich will sich das Kind in seiner Welt zurechtfinden. Es verlangt Orientierung, nicht Belehrung. Im Gespräch mit Kindern können Eltern ihr eigenes Weltbild überprüfen. Oft zeigt sich, dass sie selbst vieles nicht befriedigend erklären können. Kindern die Sache mit Gott zu erklären, kann Anlass sein, über den eigenen Glauben nachzudenken.

Kinder wollen nicht belogen werden. Sie merken, wenn ihre Eltern nicht hinter dem stehen, was sie sagen. Als Jugendliche fühlen sie sich hintergangen, wenn ihre Eltern nichts über den kindlichen Glauben hinaus bieten. In dem Fall sollte man lieber von vornherein seine Ratlosigkeit zugeben.

Religiöse Erziehung gelingt nur, wenn die Erwachsenen nicht auf ihrer Meinung beharren, sondern sich auf die kindliche Sicht einlassen. Missionarischer Eifer wirkt oft kontraproduktiv. Zwang in Sachen Religion bewirkt, dass Kinder den Glauben eher als Last denn als Hilfe erleben.

Kinder brauchen Gott, nicht anders als Erwachsene.

Das wäre fatal, denn religiös erzogene Kinder haben viele Vorteile im Leben. Für ihr Selbstbewusstsein ist es wichtig, wenn sie sich von ihrem Schöpfer geliebt wissen. Kinder merken, dass die Zuwendung ihrer Eltern schwankt. Um das Kind von ihrer Sympathie unabhängig zu machen, können die Eltern in ihm den Glauben nähren: "Gott hat dich immer lieb."

Das Ritual eines Abendgebets kann dem Kind helfen, seine Selbstbeobachtungsgabe zu schärfen. Das Kind überlegt: "Was hat mich heute gefreut?", und dankt Gott dafür. Dann überlegt es: "Was hat mich geärgert oder traurig gemacht?", und bittet Gott, dass so ein Ärger nicht noch mal passiert und dass Gott es tröstet. In der Zwiesprache mit Gott lernt das Kind, seine Gefühle wahrzunehmen, ihnen Ausdruck zu verleihen, Misserfolge und Kränkungen zu relativieren und seine Stimmung aufzuhellen. Auch eine kindgerechte Auseinandersetzung mit christlichen Werten ist möglich. Etwa wenn die Eltern auffordern, nicht zurückzuschlagen, wenn man gehauen wird. Wenn sie empfehlen, Streit aus dem Weg zu gehen oder den Ausgleich zu suchen. Dafür muss das Kind sich in andere einfühlen können. Am besten geht das, wenn das Kind auch die eigenen Gefühle kennt.

Religiöse Erziehung entspricht nicht nur der kindlichen Weltsicht. Sie kann dem Kind auch zu einer positiven Lebenssicht verhelfen. Kinder brauchen Gott, nicht anders als Erwachsene.